Letzte Woche nahm sich der Ex-NFL-Spieler Markus Kuhn mehr als eine Stunde Zeit, um via Zoom mit unserer U15 zu plaudern und unsere Flaggies ein bisschen kennenzulernen. Unsere jüngste Herde hatte dabei zahlreiche Fragen an den ehemaligen Longhorn, der als erster deutscher Spieler in der NFL einen Touchdown erzielen konnte.
Der gebürtige Viernheimer lief vier Jahre lang für die New York Giants in der NFL auf, in seiner fünften Saison konnte er sich bei den New England Patriots nicht mehr durchsetzen und beendete seine aktive Karriere. Nach seinem Master-Abschluss im Sportmanagement an der Columbia-University kehrte Markus Kuhn zu seinem ehemaligen Team zurück und ist derzeit im Team Management der Giants aktiv. Er lebt seit mittlerweile 14 Jahren in den USA.
Die Fragen unserer Flaggies zusammengefasst in einem Interview:
Wie schwer war es für dich, den Schritt weg von deiner Familie ans College zu machen?
Ganz ehrlich: Ich war früher sehr ungern von zuhause weg. Selbst wenn ich bei meinen Freunden nur ein paar Häuser die Straße hinunter übernachtet habe, hatte ich schon Heimweh – dementsprechend schwer war es, alles hier hinter sich zu lassen und an die North Carolina State University zu gehen. Ich wusste nicht, was mich erwartet, nur eines war klar: ich werde meine Eltern unglaublich vermissen. Im Nachhinein bin ich aber sehr dankbar und froh, diesen Schritt gegangen zu sein.
Wie war der Alltag als NFL-Spieler so? Musstet ihr viel trainieren?
Ich fand die Zeit am College tatsächlich anstrengender als in der NFL, weil man da nebenher noch viel lernen muss, um einen guten Abschluss zu machen. In der NFL konzentrierst du dich nur auf deinen Sport – er ist schließlich dein Beruf. Bei den Giants begann der Tag meistens gegen acht Uhr: gemeinsames Team-Meeting, danach ging es in die Positionsgruppen, wo man mit seinem Position Coach und den Coordinators gesprochen hat. Anschließend standen ca. 3 Stunden Training auf dem Platz an, dann gab es Mittagessen, danach noch in den Kraftraum und natürlich auch viel Videoanalyse. Meistens war man dann gegen 17 oder 18 Uhr fertig – im Grunde ist der Zeitaufwand also wie in den meisten „normalen“ Jobs auch.
Und was verdient so ein NFL-Spieler?
Das ist ganz unterschiedlich. Die Superstars bekommen natürlich deutlich mehr, die Verträge von Patrick Mahomes und Co. werden in den Medien ja viel diskutiert. Ich bin aber der Meinung, dass man das etwas relativieren muss, schließlich ist der Job körperlich und mental sehr belastend und man macht ihn nicht sehr lange. Mit meinen fünf Jahren in der Liga war ich länger dabei als der Durchschnitt, die Spanne, in der man das große Geld machen kann, ist also sehr begrenzt. Deshalb ist es umso wichtiger, einen guten College-Abschluss zu haben, denn das „richtige Leben“ beginnt erst nach der NFL-Karriere.
Wie gut warst du früher in der Schule?
Ich war nicht der beste Schüler – vor allem in Mathe und Latein hatte ich meine Schwierigkeiten. Aber ich habe mir immer Mühe gegeben, hatte Nachhilfe und habe immer versucht, das Beste aus mir herauszuholen. Diese Einstellung habe ich von meinen Eltern, sie haben immer gesagt: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“. Bei uns kam es nicht infrage, an Football oder andere Hobbies zu denken, bevor die Hausaufgaben gemacht waren. Diese Prioritäten-Setzung habe ich mir beibehalten und sie hat mir bis heute immer weitergeholfen.
Auf welchen Positionen hast du schon gespielt?
In meinen Jugend-Jahren in Weinheim habe ich vor allem Runningback, Linebacker und ein bisschen Quarterback gespielt, also quasi überall. Bei den Herren habe ich mich dann immerhin auf die Defense festgelegt, aber war auch dort mal als Linebacker oder auch mal als Defense End im Einsatz. Am College wurde ich dann aufgrund meiner Größe und meines Gewichts endgültig auf die D-Line gezogen. Als ich dann immer stärker und schwerer wurde, bin ich vom Defense End zum Defense Tackle umgeschult worden. Zu meinen besten Zeiten hatte ich um die 145 Kilogramm, die kann man in der Mitte der D-Line am besten einsetzen.
Kannst du beschreiben, wie es war, gedraftet zu werden?
Klar, sogar relativ kurz: Aufregung pur! Es war nicht garantiert, dass ich überhaupt gedraftet werde, ich habe schon von den Patriots gehört, dass sie mich sonst als Undraftet Free Agent unter Vertrag nehmen wollten, aber dann haben sich die Giants in der siebten Runde für mich entschieden. Man bekommt einen Anruf vom Head Coach, kurz bevor der Pick offiziell verkündet wird – da habe ich mir vor Freude fast überschlagen. Besonders spannend ist es für mich, den Draft jetzt aus der Perspektive der Teams, also von der anderen Seite des Vorhangs zu sehen.
Wie war das für dich, den ersten Touchdown eines deutschen NFL-Spielers zu erzielen?
Das war natürlich ein großartiger Moment für mich. Man übt diese Situation jahrelang im Training. Freier Ball bedeutet: draufwerfen und wenn möglich aufheben und so weit wie es geht nach vorne tragen. Ich weiß nicht, wie oft wir das im Training gemacht haben, deshalb war es im Spiel fast ein Automatismus. Ich hatte ein wenig Glück und war vorbereitet, als der Ball plätzlich vor mir lag. Das Gefühl, ihn dann in die Endzone zu tragen, war selbstverständlich etwas Besonderes.
Wer ist dein Idol?
Sportlich gesehen habe ich schon immer zu Dirk Nowitzki aufgesehen, in meinen Augen ist er ein absoluter Superstar und ein Profi durch und durch. Generell geht für mich aber nichts über meine Familie, meine Eltern und meine Schwester. Es war immer mein Ziel, sie stolz zu machen – danach habe ich meine Entscheidungen getroffen. Ich habe mich immer gefragt: „Wäre meine Familie stolz auf mich, wenn ich das jetzt mache?“ – Wenn die Antwort nein war, habe ich es gelassen (lacht).
Hast du einen Lieblings-Spieler in der NFL?
Nein, tatsächlich nicht. Ich verfolge eher die Teams und schaue mir an, wie sie aufgebaut sind, welche Charaktere zusammen wie funktionieren – denn langfristig wirst du als einzelner Spieler in der Liga nur in einem richtigen Team Erfolg haben – es sei denn, du heißt Tom Brady, dann gewinnst du fast immer (lacht).
Wie erlebst du die Entwicklung des Football in Deutschland?
Der Sport macht sehr große Schritte – das finde ich sehr gut. Die Vereine haben mehr Zulauf, das Spiel-Niveau ist deutlich gestiegen, daher wird Football auch medial immer größer, all das freut mich sehr. Ich arbeite mit der NFL daran, unseren Sport in Deutschland langfristig als Nummer zwei hinter dem Fußball zu etablieren, die Liga hat einiges vor.